Medienmitteilung der Aktion Mühleberg stillegen (AMüs), 24 April 2000

In einem Brief an Bundesrat Moritz Leuenberger fordert die Aktion Mühleberg stilllegen (AMüs) diesen auf, im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zum neuen Kernenergiegesetz eine öffentliche Befragung des Rechtsdienstes und der Sicherheitsbehörden durchzuführen, unter Beteiligung der Medien. Zweck dieser Befragung ist die Bestimmung von technischen Stilllegungskriterien für AKW, welche in der Schweiz völlig fehlen.AMüs kritisiert scharf die im erläuternden Bericht zum Kernenergiegesetzes-Entwurf vertretene Meinung, dass die Schweizer AKW "sicher" betrieben würden, und dass dies sogar über 40 Jahre hinaus möglich sei. - In der Schweiz existieren technische Richtlinien zum Bau und Betrieb von AKW, doch die Hauptabteilung für die Sicherheit der Kernanlagen HSK hat sich in den letzten Bewilligungsverfahren - speziell bei den AKW Mühleberg und Beznau - nicht im geringsten daran gehalten. Sowohl elementare Regeln, wie auch die Schutzziele des Strahlenschutzgesetzes werden sträflich vernachlässigt.

Speziell weist AMüs auf den verfehlten Erdbebenschutz im AKW Mühleberg hin: Die Richtlinien der HSK schreiben Wahrscheinlichkeiten von bis zu 1 pro 1 Million Jahre für Erdbeben vor, gegen welche AKW geschützt werden müssen. Doch das AKW Mühleberg ist nur gegen Kräfte ausgelegt, die 100 mal wahrscheinlicher und damit wesentlich zu schwach sind. Doch nicht genug damit: Auch die Schutzziele der Strahlenschutzverordnung werden missachtet: Für die "beherrschten" Erdbeben ist die Verseuchung der Umgebung deutlich zu hoch: 1,6 statt 0,2 bis maximal 1,0 Millisievert. Solche Gesetzesverletzungen scheinen die Behörden nicht zu kümmern.

AMüs erwähnt weitere Punkte, bei welchen die Bewilligungsbehörden trotz Verletzung der Richtlinien nicht eine Stilllegung des AKW fordert: Die Flugzeugabsturz-Sicherheit ist im AKW Mühleberg nicht gewährleistet; sogar nicht einmal bei der Nachrüstung SUSAN, obwohl damals die Richtlinien in Kraft waren. - Die HSK geht sogar soweit, die Sicherheitsphilosophie der Kerntechnik auf den Kopf zu stellen: Bei einem speziellen Unfallpfad (Bruch der Torus-Ringleitung mit überschwemmung etlicher Notsysteme) nimmt sie die normalen Betriebssysteme als Ersatz für ausgefallene Sicherheitssysteme zur Hand, damit der Super-GAU in ihrem Gutachten nicht erscheinen muss. Die technischen Richtlinien werden im AKW Mühleberg massiv verletzt, aber die HSK gibt keine Kriterien an, wann der Stilllegungs- oder zumindest Nachrüstungszeitpunkt gekommen ist.

Auch bei den Rissen im Kernmantel zitiert die HSK immer noch trotz dem TüV-Gutachten von 1998 völlig veraltete Berechnungen der Herstellerfirma General Electric für die kritischen Rissgrössen. Welche Grenzen die HSK für die Risse zieht und welche Massnahmen gelten sollen, darüber schweigt sie sich aus.

Am 26. April vor 14 Jahren ereignete sich die Katastrophe in Tschernobyl. Auch diese war auf zu wenig starke Sicherheitsvorkehrungen zurückzuführen:

AMüs fordert Bundesrat Leuenberger als zuständigen Minister auf, dass endlich technische "Killerkriterien" für den Betrieb von AKW formuliert werden, weil sonst die Ausserbetriebnahme und Stilllegung von AKW immer eine nebulöse Erwägungssache im Gegensatz zu den berechneten Risiken bleiben. Zu diesem Zweck verlangt AMüs eine öffentliche Befragung des Rechtsdienstes und der HSK unter Beteiligung der Medien.


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